Kinder als Spiegel eine Einladung zur Selbstführung
- Michael Bauer
- 11. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Der Moment, den du vielleicht kennst
Du kommst nach Hause, möchtest einfach nur Ruhe…und dein Kind?
Es springt dir direkt auf den Schoß – voller Energie, voller Lautstärke.
Oder vielleicht ignoriert es dich. Widerspricht dir.Und irgendetwas in dir beginnt zu brodeln.
Ein genervtes Ausatmen.Ein strenger Blick.Ein Satz, der rausplatzt:„Muss das jetzt sein?!“
Was passiert da gerade?
Vielleicht denkst du:
„Mein Kind macht das extra.“
„Mein Kind hört einfach nicht.“
„Mein Kind ist einfach nur schwierig.“
Aber was wäre, wenn dein Kind dich nicht provozieren will –sondern dir etwas zeigen möchte?
Nicht bewusst, aber zutiefst wirkungsvoll.Nicht als Feind – sondern als Spiegel.
Kinder als Spiegel
Wenn wir auf die Welt kommen, sind wir radikal ehrlich. Bis wir beginnen, uns anzupassen.
Kinder filtern nicht. Sie halten nichts zurück. Und genau deshalb können sie uns so deutlich spiegeln.
Dein Kind als Spiegel - Nicht, weil es das absichtlich tun –sondern weil es auf unsere Haltung, unsere Stimmung und unsere unausgesprochenen Spannungen reagiert.
Ein Beispiel aus der Begleitung
Ein Vater erzählte mir, dass er regelmäßig laut wird, wenn sein Kind trotzt.
Er sagte:„Ich kann das nicht ab. Dieses Rumschreien. Das bringt mich auf 180.“
Auf unserer gemeinsamen „Schatzsuche“ tauchten Bedürfnisse auf wie Leichtigkeit, Ruhe und Klarheit –doch darunter lag noch etwas anderes:
Er erkannte, dass er selbst trotzig wird,wenn die Dinge nicht so laufen, wie er es sich vorstellt.Sein Kind hatte einfach diese Reaktion übernommen:„Wenn ich nicht bekomme, was ich will – dann werde ich laut.“
Erkennst du dich hier wieder?
Wie oft bittest du dein Kind, etwas zu tun – zum Beispiel das Zimmer aufzuräumen?Und wenn beim dritten, vierten Mal nichts passiert, wirst du vielleicht lauter.Oder drohst mit Konsequenzen.
Was lernt dein Kind daraus?
➡️ Dass Lautstärke hilft, gehört zu werden.
➡️ Dass Macht und Druck dazugehören.
➡️ Dass es „bestraft“ wird, wenn es sich nicht anpasst.
Und vielleicht – spiegelt es dir genau das zurück.
Was dich triggert, gehört dir
Die bekannte Trainerin Vera F. Birkenbihl sagte einmal:„Alles, was dich länger als 15 Sekunden ärgert – gehört dir.“
Wenn du dich über das Verhalten deines Kindes ärgerst,ist das ein Hinweis –nicht auf dein Kind,sondern auf etwas in dir.
Typische innere Auslöser sind:
Deine eigene Unruhe, die du nie ausdrücken durftest
Die Angst, die Kontrolle zu verlieren
Das verdrängte Bedürfnis, gesehen zu werden
Die Chance darin
Das ist unbequem – das kann ich als Vater von drei Kindern gut nachvollziehen.Aber es ist auch eine enorme Chance:
✅ Dein Kind hilft dir dabei, bewusster zu werden✅ Es fordert dich auf, dich selbst besser kennenzulernen✅ Es zeigt dir, wo du wachsen darfst
Vatersein ist nicht nur Erziehung.Es ist eine Einladung zur Selbstführung.
Denn:👉 Wenn du dich selbst führen kannst, lässt sich auch dein Kind von dir führen.
Drei Reflexionsfragen für dich
Bevor du jetzt in die Selbstanalyse gehst:Nicht alles, was dein Kind tut, ist ein Spiegel.Nicht alles muss sofort verstanden, gelöst oder verändert werden.
Es geht nicht um Perfektion.Es geht um Bewusstwerdung.
1. Was triggert mich immer wieder im Verhalten meines Kindes?Gibt es Situationen, die dich sofort an deine Grenzen bringen?
2. Was hat dieses Verhalten mit mir zu tun?Wie reagiere ich in vergleichbaren Momenten?
3. Wie kann ich meinem Kind begegnen – und gleichzeitig für mein inneres Kind sorgen?Manchmal hilft es, dir selbst Empathie zu schenken.
Ein persönliches Beispiel
Jeden Morgen trödelte mein Kind.Und je mehr Druck ich machte, desto langsamer wurde er.Wir verpassten regelmäßig den Zug.
Ich stand da – irgendwann ratlos.Und ich merkte:Druck funktioniert nicht.
Also gab ich ihm die Verantwortung zurück.Für sein Tempo. Für seine Pünktlichkeit.
Und das machte etwas mit mir: Ich wurde ruhig.Und mein ruhig werden – entspannte das ganze System.
Von da an war er (fast) immer rechtzeitig beim Zug.
Was ich dann bemerkte:Ich begann auch in anderen Lebensbereichen, Verantwortung zurückzugeben –vor allem dort, wo ich sie für andere übernommen hatte.
Und mit der Zeit löste sich ein alter Druck:der Druck, es allen recht machen zu müssen.
Und genau da stellte ich mir die Frage: Soll mein Sohn lernen, nur seinen Teil der Verantwortung zu tragen –oder so wie ich versuchen, es allen recht zu machen?
Was heißt das für deinen Alltag?
Du musst nicht alles perfekt machen.Du musst nicht ständig an dir arbeiten.Aber:
Du darfst deine Reaktionen ernst nehmen.Nicht als Schuld – sondern als Spiegel.
Denn manchmal liegt genau darin die größte Veränderung:
Nicht das Verhalten deines Kindes zu verändern –sondern dein eigenes Bewusstsein.
Schlussgedanke
Wenn dein Kind dich triggert –frag dich nicht:„Was stimmt mit meinem Kind nicht?“
Sondern:„Was will mein Kind mir sagen?“„Gibt es etwas, das gesehen werden will?“
Denn je klarer du mit dir selbst bist,desto klarer wird auch eure Beziehung.
Und du wirst feststellen:Dein Kind ist nicht gegen dich.Es will dir einfach nur etwas mitteilen.
コメント